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14.06.2021 – Weltblutspendetag – Helfen darf nur, wer den konservativen Vorstellungen entspricht

„Von einer generell nachlassenden Blutspendebereitschaft in Deutschland kann nicht die Rede sein; allerdings könnte nicht ausreichende Anpassung der Blutspendeeinrichtungen an veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen zum Problem werden.“ – Auszug aus „Motivation zur Blutspende“ von Ursula Lassen zum Weltgesundheitstag im Jahr 2000 [1]

Im Jahr 2004 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO den 14. Juni zum internationalen Blutspendetag ausgerufen. Der Aktionstag soll die gesellschaftliche Bedeutung der Blutspende und das damit verbundene Engagement der Spendenden hervorheben. Der 14. Juni wurde explizit deshalb als Datum ausgewählt, weil es der Geburtstag von Karl Landsteiner ist. Dieser wurde 1868 geboren. Bekannt geworden ist er durch seine 1901 gemachte Entdeckung der Blutgruppen und der ihm zugeschriebenen Erkenntnis, dass sich nicht jede Blutgruppe mit einer anderen Blutgruppe gleich gut kombinieren lässt.[2] Der diesjährige Weltblutspendetag trägt das Motto „Give blood and keep the world beating“ („Spende Blut und halte die Welt am Laufen“). In Zeiten der Coronakrise geht es vor allem darum, darauf aufmerksam zu machen, wie groß die Bedeutung von Blutspenden auch während einer Pandemie ist.[3]

Das genannte Zitat zu Beginn dieses Beitrages hat in 2021 leider nichts an seiner Aktualität verloren, im Gegenteil. Es hat sich nichts geändert seit dieser Zeit. Nach wie vor spielt die sexuelle Orientierung bzw. das sexuelle Risikoverhalten eine so bedeutende Rolle, dass es ein K.O.-Kriterium ist und eine Spende nicht erfolgen darf, wenn das Kriterium innerhalb der vergangenen 12 Monate erfüllt worden ist.

Die rechtliche Grundlage für die Blutspende ist das 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz – TFG). Ziel ist es, nicht nur die Sicherheit von Blutspenden zu gewährleisten, sondern vor allem auch die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Bluttransfusionen. Auf Basis dieses Gesetzes erstellt die Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut die Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie). Diese regelt im Detail, wer zum Spenden zugelassen und wer wiederum ausgeschlossen wird.[4]

Einer der relevanten Absätze aus der aktuell gültigen Richtlinie Hämotherapie:

2.2.4.3.2.2 Exposition mit dem Risiko, eine übertragbare Infektion zu erwerben

Zeitlich begrenzt von der Spende zurückzustellen sind Personen deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten, wie HBV, HCV oder HIV, bergen, für 12 Monate:

  • heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern
  • Personen, die Sexualverkehr gegen Geld oder andere Leistungen (z. B. Drogen) anbieten (männliche und weibliche Sexarbeiter)
  • Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM),
  • transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten [5]

Nur wenn sie ein Jahr lang keinen Sex mit einem Mann hatten, dürfen homosexuelle Männer in Deutschland Blut spenden. Diese Regelung ist in dieser Form diskriminierend. Ein solches Verfahren muss sich an wissenschaftlichen Fakten orientieren und tatsächliche Risiken für die Übertragung von HIV und andere durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten in den Fokus nehmen. Eine Lösung wären, Verbesserungen bei den Test-Verfahren und gezielte Befragungen, die einen Ausschluss im Allgemeinen unnötig machen würden. Die Frist von einem Jahr ist zudem willkürlich gesetzt und orientiert sich nicht an „diagnostischen Zeitfenstern“ für solche Erkrankungen.

Völlig unverständlich ist auch die separate Nennung von „transsexuellen Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ in der oben genannten Richtlinie. Diese diskriminierende Formulierung muss schnellstens gestrichen werden.[6]

„Ich finde es enttäuschend, dass wir im Jahr 2021 immer noch nicht wirklich weitergekommen sind in unserer gesellschaftlichen Denke, wer Blut spenden darf und wer nicht. Dabei hat sich diese Problematik schon vor mehr als 20 Jahren abgezeichnet. Es findet nach wie vor eine Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung statt. Dabei können sie genauso Blut spenden wie alle anderen. Das hat weder etwas mit Würde noch mit Teilhabe zu tun. Menschen die helfen wollen, dürfen nicht. Deshalb setze ich mich zusammen mit den PIRATEN dafür ein, dass es unabhängige Kriterien zur Beurteilung der Spendereigenschaft geben muss, die nichts mit der sexuellen Orientierung oder dem persönlichen Sexualverhalten zu tun haben“

Flora Gessner, Mitglied der Frankfurter PIRATEN und Kandidatin auf Listenplatz 5 der hessischen Landesliste für die Bundestagswahl 2021