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60 Jahre „Antibabypille“ – Die Konsequenzen trägt nach wie vor die Frau

„Früher war es ein sexueller Befreiungsschlag, die Antibabypille zu nehmen. Heute ist es ein Befreiungsschlag, sie abzusetzen.“[1]

August 1960: Erstmals ist die „Antibabypille“, ein Hormonpräparat für Frauen, in den USA erhältlich. Eine Revolution in der damaligen Zeit, konnten Frauen so künftig ungewollte Schwangerschaften verhindern. Was als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden begann, ist bis heute das Verhütungsmittel Nr. 1, auch in Deutschland. Bereits um 1920 gab es erste Überlegungen, dass Frauen mit Hilfe von Hormonen verhüten könnten. Hinter dieser Idee standen zwei Frauenrechtlerinnen, die in erster Linie Frauen über die Möglichkeiten der Verhütung aufklären wollten. Jedoch wurde erst 1951 mit der Entwicklung der späteren „Pille“ begonnen, 1957 erfolgte die Zulassung in den USA als „Mittel gegen Menstruationsbeschwerden“. Erst am 18. August 1960 wurde der Status als „Verhütungsmittel“ eingeführt.

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Antibaybille erst ein Jahr später (1961) auf dem Markt zugelassen worden. Erschreckenderweise durften zunächst nur verheiratete Frauen, die bereits mehrere Kinder zur Welt gebracht hatten, das Verhütungsmittel erhalten. Offiziell weiter unter dem Deckmantel als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden, die Empfängnisverhütung tauchte lediglich im Beipackzettel als mögliche Nebenwirkung auf.

Doch was wäre das Thema „Empfängnisverhütung“, wenn sich nicht auch die Kirche zu Wort melden würde? 1968 wurde durch den damaligen Papst die Geburtenkontrolle mit Hilfe von Verhütungsmitteln angeprangert und dass dies zu einem sittlichen Verfall der Gesellschaft führen werde, da außereheliche sexuelle Aktivitäten hierdurch begünstigt würden. Dieser Meinung schlossen sich in den 1960ern auch viele Ärzte an. Es folgte eine „sexuelle Revolution“ – Frauen erlangten durch die Pille in vielen Bereichen mehr Unabhängigkeit, das Wort „Familienplanung“ bekam plötzlich eine ganz neue Bedeutung.[2]

Doch wie hat sich die Situation, 60 Jahre später, entwickelt? Die Pille ist nach wie vor das meist genutzte Verhütungsmittel in Deutschland. Ca. 38 % der Frauen zwischen 14 und 44 Jahren verlassen sich auf diese hormonelle Verhütungsmethode. Die Pille gilt als sehr sicheres Verhütungsmittel, die Übertragung von Geschlechtskrankheiten kann jedoch nicht verhindert werden. Im Laufe der Jahre wurde eine Vielzahl an unterschiedlichen Präparaten auf dem Markt zugelassen. Gleichzeitig wurden auch immer mehr Nebenwirkungen bekannt. Neben dem Auftreten von Kopfschmerzen, Übelkeit, Migräne sowie lebensgefährlichen Thrombosen, kann auch ein Zusammenhang mit auftretenden Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen nicht mehr ausgeschlossen werden.[3]

Die Frage an dieser Stelle:

Ist es im Jahr 2020 überhaupt noch zeitgemäß, dass sich die Frau mit einer „Hormonbombe“ alleine um die Empfängnisverhütung kümmern muss?

Die „Pille für den Mann“ lässt auf sich warten; bisher hat kein Präparat eine Marktzulassung erhalten und es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass sich daran aufgrund der Nebenwirkungen oder der Unzuverlässigkeit nichts ändern wird.

Allerdings ist die hormonelle Verhütung nicht alternativlos. Mit der Temperaturmethode können Frauen ihre unfruchtbaren Tage sehr sicher bestimmen, Zykluscomputer können bei dieser auch symptothermalen Methode genannten Verhütung wertvolle Unterstützung leisten.[4] Und an den fruchtbaren Tagen unterstützt der Partner durch die korrekte Verwendung eines Kondoms, die hormonfreie Empfängnisverhütung oder man findet, um auf Nummer sicher zu gehen, für diese Zeit andere Wege der körperlichen Zweisamkeit, die eine Schwangerschaft ausschließen. In einer Partnerschaft sollten beide Partner bei dem Thema Verhütung gleichberechtigt sein. Auch die Sterilisation des Mannes ist eine Option, die vor allem bei einem gering ausgeprägtem Kinderwunsch eine gute Alternative ist. Nägel mit Köpfen zu machen, anstatt die Partnerin einer jahrelangen hormonellen Belastung für ein vages „Vielleicht“ auszusetzen, steht einem verantwortungsvollen Partner gut zu Gesicht. Da viele Frauen durch die Einnahme der Pille in ihrer sexuellen Lust eingeschränkt werden, ist das oft genannte Opfer des Mannes dabei vielleicht gar kein so großes.

Natürlich kann man sich gemeinsam für eine hormonelle Verhütung durch die Frau entscheiden, doch diese sollte im gegenseitigen Gespräch und nicht aus einer gesellschaftlichen Erwartungshaltung heraus geschehen. Zu viele Männer erwarten, dass „sie sich schon drum kümmern wird“ und zu viele Frauen übernehmen diese Verantwortung, ohne sie jemals zu hinterfragen. Es ist wichtig, dass beiden Partnern die Nebenwirkungen und Langzeitfolgen durch die hormonelle Belastung auf den weiblichen Körper bekannt sind, um eine bestmögliche Entscheidung im Sinne der Gesundheit der Frau und der erfolgreichen Empfängnisverhütung gemeinsam treffen zu können.[5]

„Auch 2020, 60 Jahre nach der Einführung der Antibabypille, ist das Thema ‚hormonelle Verhütung‘ in vielen Bereichen noch nicht gesellschaftsfähig. Dass es für Männer bisher nichts Vergleichbares gibt, verstärkt diesen Effekt nur noch. Für die ’sexuelle Befreiung der Frau‘ waren die Protestbewegungen von ’68 ein guter Anfang. Doch sollte spätestens heute jede Frau die Freiheit haben, selbst entscheiden zu können, was mit ihrem Körper passiert. Dies unterstützen wir Frankfurter PIRATEN, denn wir stehen für diese Freiheit ein,“ so Jutta Dietrich, Beisitzerin im Landesvorstand der Piratenpartei Hessen.